von Hubert Schabel

Sonntag, bestes Wetter, besser als man es für Mitte Februar erwarten könnte. Die Druckfarbe auf
der Egaukarte war noch nicht richtig trocken, da hab ich mich in aller Früh an mein
Lieblingsflüsschen verdrückt. Meine hochgeschätzte Gattin hatte das bereits durchschaut bevor die
Idee überhaupt in meinem Kopf reifte und fragte beim Frühstückskaffee um 7 Uhr, ob ich denn
heute „zufällig“ fischen ginge. Bevor ich richtig nachdenken konnte hab ich auch schon ja gesagt.

Nun, kurz nach acht bieg ich mit dem Bürgerkäfig am Spielplatz ein und parke. Die Rute schnell
zusammengesteckt und einen 17 cm-Gummifisch dran gemacht. Ich arbeite mich die Strecke hoch
und werfe diverse hechtverdächtige Stellen an. Es ist noch ziemlich kalt, die Temperatur ist deutlich
im Minus und der Reif glitzert in der langsam höherwandernden Sonne mit dem Wasser um die
Wette. Keinerlei Anzeichen von Leben im Wasser, einzig ein paar Enten und Blesshühner
schwimmen auf der Egau und heben flügelklatschend vom Wasser ab als ich mich nähere. Zwei
Reiher suchen ebenfalls bei meinem Erscheinen das Weite, allerdings weit dezenter als die Enten.
Lange Beine machen halt elegant.
Bis an die Brücke hoch fische ich Stelle um Stelle ab, jeder vermeintliche Hotspot erweist sich als
leer, zumindest geht nichts an den Haken. Das Wasser ist ziemlich angetrübt, ich wechsle den Köder
gegen einen mit auffälliger Flourfarbe und gehe weiter. Als ich eine kleine Abkürzung nehmen will
hole ich mir noch nasse Socken, verdammt! Unter der Brücke muss ich gebückt durchgehen. Auch
hier kein Fischkontakt, rein gar nichts, als sei das Gewässer leer. 100 m weiter dann endlich ein
Hoffnungsschimmer. Ich sehe dem Gummifisch beim Einkurbeln zu, als hinter ihm plötzlich eine
helle Bauchseite aufblitzt und abdreht. Form und Farbe verraten den Hecht, einzig die Grösse
vermag ich nicht richtig einzuschätzen, aber sicher kein ganz kleiner. Ich werfe die Stelle wieder
und wieder an. Plötzlich folgt er dem Köder und ich kann sehen, dass es sich um ein sehr stattliches
Exemplar handelt. Allerdings kann er dem Schnappreflex widerstehen und dreht wieder ab. Da ich
eher zur hartnäckigen Fraktion gehöre gehe ich aber nicht weiter und gebe schon gar nicht auf. Ich
beharke ihn eine Weile, immer wieder folgt er dem Gummifisch, um dann wieder abzudrehen.
Irgendwann wird er bei der Anstrengung ja hoffentlich mal Hunger bekommen! In der Zwischenzeit
konnte ich seinen Standplatz fast in der Mitte der Egau ziemlich genau eingrenzen, das Wasser ist
zu trüb, um bis zum Grund zu sehen, aber anhand seiner Bewegungen war es auf ein paar wenige
Quadratmeter ersichtlich, wo er sich aufhielt. Ich beschliesse, mal kurz Pause zu machen und setze
mich ins Gras, wo ich mir eine Zigarette drehe und genüsslich wegrauche. Die Sonne wärmt schon
angenehm und ich ziehe den Anorak aus. Um mich herum zwitschern Vögel und eine freche Meise
setzt sich zwei Meter neben mir auf einen Ast und schaut mir beim Rauchen zu.
Als ich fertig bin gehts weiter. Nach drei Würfen hängt der Fisch, er kämpft überraschender Weise
nicht sehr vehement und ist schnell ausgedrillt. Was da vor meinen Füssen am Rand des Steilufers
schwimmt übertrifft meine Erwartungen bei Weitem: Ein Hecht jenseits der 90 cm, stiernackig,
muskulös und fett mit einem furchtbaren Maul, aus dem nurmehr die hinterste Schwanzspitze des
Gummifischs rausschaut. Ein erstklassiger Forellenfresser, genau die Sorte, auf die ich es abgesehen
habe. Jetzt kommt der schwierige Teil: Da ich den Kescher im Auto liegen lassen habe („Da werden
schon keine Monster in der Egau schwimmen“) muss ich den Fisch am Steilufer mit der Hand
landen. Ich dirigiere ihn an einen kleinen Absatz, auf den ich hinabsteigen kann, schnappe ihn am
Kiemendeckel und hieve ihn auf die Uferkante. Er ist schwer, sehr schwer. Aber er liegt ruhig da
und ich ziehe mich hoch um ihn zu versorgen. Genau in dem Moment, als ich mich oben aufrichte,
schlägt er mit der Schwanzflose und rutscht langsam die Kante hinunter. Ich greife reflexartig in die
Schnur, halte ihn und gleich darauf macht es „zoiiiing“ und die Schnur ist durch. Zwischen
Titanvorfach und geflochtener Hauptschnur pflege ich zwei Meter 0,50er Monofil einzubinden, was
die Sichtigkeit unter Wasser verbessern (oder verschlechtern?) soll. Und genau dieses Stück hat er
zwischen die Zähne bekommen und damit kurzen Prozess gemacht. Er steht noch ein paar
Sekunden regungslos an der Kante und verschwindet dann mit ein paar Schwanzflossenschlägen in
die Egau. Ich steh fassungslos da. Als sich die Kiefersperre bei mir löst hau ich ein paar nicht
druckreife Flüche in den Busch. Wie kann man nur so blöd sein! Ich binde rasch eine neue Montage
an die Schnur und werfe hinterher, wohlwissend, dass der Hecht für heute sicherlich bedient ist. Als
ich aufgebe ist es bereits fast Mittag, ich rauche noch eine, allerdings wärmt die Sonne nicht,
sondern brennt furchtbar auf den Schädel und die Vögel zwitschern völlig nervtötend. Die Meise
muss das gemerkt haben, sie traut sich jedenfalls nicht zu mir her, ich hätte sie vermutlich auch mit
Haut und Federn gefressen.
Auf dem Rückweg zum Kescher, äh, Auto, werfe ich noch ein paar Stellen an und bekomme
tatsächlich auch Attacken, aber keiner bleibt hängen, wobei, die Egau hat seither auch ein paar Äste
weniger im Flussbett.
Quintessenz von der Geschichte: Nächstes Mal kommt der Kescher, so sperrig er auch sein mag im
Dickicht, wieder mit.


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